Wie alles begann…
Die Faszination für Entscheidungsgeschichten begleitet mich schon sehr lange. In meiner
Grundschule gab es damals kleine Heftchen mit Wäldern, Hexen und Brunnen. Der Inhalt an sich
waren zwar nicht so spannend, aber ich mochte die Vorstellung, dass ich die Geschichte mitgestalten kann.
Zwölf Jahre später war ich in unserer Bibliothek bei einem Kurs zu Twine, einem kostenlosen
Programm, mit dem man sehr leicht Entscheidungsgeschichten schreiben kann. Und ab diesem Moment
wollte ich selber eine Entscheidungsgeschichte schreiben.
Ein paar Monate vorher hatte ich das Point-and-Click-Adventure "Erlenburg" mit Karin und Karo
zusammen abgeschlossen und ich hatte mir eigentlich vorgenommen, nie wieder so ein großes
Projekt zu beginnen. Wir hatten nämlich insgesamt ein halbes Jahr für die Erlenburg gebraucht
und außerdem stand ich kurz vor meinem Abitur. Aber ich hatte echt viel Lust aufs Schreiben...
also habe ich mit vorgenommen, dass es eine ganz kurze Geschichte werden wird. Drei, vier Wochen
und dann sollte sie schon fertig sein.
Soweit der Plan. Doch ich hatte noch ein fundamentales Problem: Wovon sollte die Geschichte
handeln? Da bald Halloween war, dachte ich, es könnte etwas passendes dazu sein. Und Mama meinte,
dass der Charakter Ithilriel aus Stauchen noch nicht so genau ausgearbeitet sei und man ja darum
eine Geschichte stricken könnte. Ich solle einfach mal bei der Stauchen-SL anfragen, ob das
machbar sei und was sie noch so für Ideen haben.
Also habe ich mich mit Paula, Heike, André, Cisco und Fred getroffen und darüber geredet, was man
machen könnte. Es wurde klar, dass Ithilriel im Clannthin lebt und man irgendwie zu ihr kommen
müsste. Dadurch war die Idee der Jäger geboren, denen sich die Hauptfigur anschließt. Wir durften
uns also als erstes lustige Jägercharaktere ausdenken. Am Anfang fand ich sie alle zu überzeichnet
und klischeehaft, doch mit dem Schreiben habe ich mich an sie gewöhnt und sie in mein Herz
geschlossen.
Danach wurde die grobe Struktur der drei Akte herausgearbeitet, ein paar Ideen für Monster,
Locations, und so gesammelt und dann konnte es schon los gehen. Im Nachhinein hätte ich mir
vorher vielleicht mehr Gedanken über den Plot machen sollen. Ohne festen Plan konnte sich zwar
viel Schönes locker entwickeln, doch ich würde keinem dazu raten, der eine gute, durchdachte
und spannende Geschichte schreiben will.
Nun kam der Punkt, an dem Fred uns gewarnt hatte: Er meinte, wir müssten schauen, dass das alles
nicht zu lang wird. Und er hat natürlich Recht behalten.
Pläne, die sich ändern…
Erst als ich anfing zu schreiben, wurde mir klar, was genau mein Schreibstil ist. Und das war
leider nicht die Art einer Graphic Novel, die am Anfang angedacht war, sondern ich mochte lange
Beschreibungen, bei denen ein Bild vor meinem Augen entsteht und die die jeweilige Stimmung
festgehalten wird.
Außerdem kamen die Verzweigungen dazu: in einer Entscheidungsgeschichte verzweigen sich natürlich
andauernd die Absätze und somit wären es exponentiell viele Absätze geworden, wenn ich nicht
heimlich ab und zu welche zusammen geführt hätte. Aber auch so wurde der Schreibumfang recht
groß.
Und ich hatte mir im vornherein auch nicht so viele Gedanken darüber gemacht, wie computerspiellastig
das ganze aufgezogen werden sollte. Am Ende sind nur noch Reste von dieser Anfangsidee übrig geblieben.
Ich konnte nämlich bei den meisten Absätzen nicht sagen, was jetzt die richtige bzw. falsche
Entscheidung sei und somit wollte ich weder belohnen noch bestrafen z.B. indem Stachel stirbt.
Insgesamt wäre es für mich persönlich sehr frustrierend gewesen, wenn die Geschichte einfach so
unvollständig abbricht. Aber natürlich muss jede Entscheidung auch Auswirkungen haben, damit der
Leser wirklich einen Einfluss auf die Geschichte hat. Und so habe ich halt bei verschiedenen
Absätzen unterschiedlich viele Informationen preisgegeben und jeweils andere Szenen erzählt.
Seither bin ich sehr fasziniert davon, wie Computerspiele den Balanceakt zwischen freier Entscheidung
der Spieler, einer runden Geschichte und endlich vielen Programmzeilen hinbekommen.
Insgesamt habe ich gelernt, dass es nicht schlimm ist, wenn ich zwischendurch merke, dass Dinge
nicht so funktionieren wie gedacht, weil ich das dann einfach beim Schreiben anpassen kann.
Über das Schreiben…
Naja, Fred hat wie gesagt Recht behalten und so hat das Schreiben insgesamt ein klein wenig
länger gedauert als geplant... insgesamt 2 Jahre. Doch in dieser Zeit hat sich sehr viel
entwickelt: aus den Arbeitstreffen am Montag wurden Quatschtreffen, bei denen Fred Paula
und mir Larpgeschichten von früher erzählt hat. Außerdem habe ich durch das Projekt viele
liebe Leute aus Stauchen so viel besser kennenlernen dürfen.
Doch nun zum Schreiben an sich: Ich war irgendwie die ganze Zeit über motiviert, dass die
Geschichte bald fertig sein würde. Natürlich war mir klar, dass das zu optimistisch gedacht war.
Aber ohne diesen unrealistischen Optimismus hätte ich die Geschichte wohl niemals angefangen oder
zwischendurch einfach abgebrochen. Und außerdem war es ein schönes Gefühl, alles mal nicht so
ernst anzupacken wie es oft im realen Leben der Fall bei mir ist.
Und es gab einen weiteren Punkt, der mir beim Schreiben der Geschichte geholfen hat: die
Absatzstruktur. So konnte ich immer ein bisschen was schreiben, ohne den ganzen Abend beschäftigt
zu sein. Außerdem konnte ich bei den verschiedenen Absätzen sehr kreativ werden und habe mir
nicht so viel Druck gemacht, dass es einen perfekten Geschichtenstrang geben muss, da ja eh
alles kreuz und quer durcheinander geht. Und da ich so vor allem meine Freude am Schreiben
im Mittelpunkt stand, hat es mir viel mehr Spaß gemacht.
Wenn ich einen neuen Absatz begann, wusste ich eigentlich nie so genau, worum es gehen würde.
Natürlich hatte ich den Startpunkt und manchmal auch ein grobes Ende, doch dann habe ich mich
einfach hingesetzt und drauf los getippt. Dabei entstanden die Bilder in meinem Kopf von ganz
alleine und die Geschichte floss oft einfach so heraus. Es war ein wunderschönes Erlebnis die
Geschichte und Charaktere in seinem Kopf zu sehen, improvisieren zu können und am Ende war ich
häufig selber überrascht, welche spontanen Ideen mir eingefallen waren.
Am Anfang war ja eine Halloweengeschichte angedacht. Und irgendwie dachte ich, dass dazu eben ein
bisschen Düsternis gehörte. Außerdem musste es ja bei einer Jagd im Clannthin auch zu Kämpfen
kommen. Nur mochte ich überhaupt nicht Tod oder Gewalt zu beschreiben. Jeder Kampf war mir ein
Graus. (Auch wenn es echt viel Schreibarbeit spart, wenn man weniger Charaktere hat). Doch ich
habe dadurch gelernt, dass man Spannung nicht nur mit Kampf und Drama nicht nur mit Tod erzeugen
kann.
Meine Lieblingsszenen sind wohl die Laberszenen, die kleinen Sticheleien und die Waldbeschreibungen.
Doch das Schönste am Schreiben ist das erste und letztes Kapitel. Der Anfang und das Happy End.
Und auch wenn ich wohl erst mal nie wieder eine so lange Geschichte schreiben werde, habe ich
dadurch viele nette Leute kennengelernt, wunderbare Charaktere erschaffen und das Schreiben
lieben gelernt.